Wie Chamäleons Farbe bekennen
Meister der Farbenlehre
Rot für die Leidenschaft, Blau für die Ruhe – dass Farben eine Wirkung auf das Gemüt haben, dachten sich bereits Newton und Goethe. Farben als Ausdruck eines Gemütszustandes sind allerdings ein weitaus weniger populärer Forschungsgegenstand.
Farbwechsel zur Kommunikation: Zwar hilft ihnen die Fähigkeit des Farbwechsels bei der Tarnung, aber auch ihr Gemütszustand zeichnet sich auf Ihrer vielseitigen Haut ab. Ob Angst, Entspannung oder Wut, der emotionale Zustand des Tieres lässt sich schon von weitem erkennen. Aber auch Licht, Temperatur und Luftfeuchtigkeit können das aktuelle Outfit beeinflussen. Grün, braun, blau, weiß, schwarz, gelb und orange – all das sind bei Chamäleons auftretende Farbkombinationen. Grün zeigt bei den im Aquarium lebenden Jemen-Chamäleons Entspannung an. Seine Gefühle offen zur Schau zu tragen – ob das das soziale Leben wohl einfacher macht?
Tierisches Holi-Festival – Eine farbenfrohe Achterbahnfahrt der Gefühle
Die bunteste Farbenschlacht ist oft zu beobachten, wenn zwei Männchen um die Gunst eines Weibchens buhlen. Dabei gilt: Das hellere Kerlchen gewinnt! Ein dominantes Männchen trägt grundsätzlich hellere Farben zur Schau und zieht die Damen damit magisch an. Eher unterwürfige Herren zeigen sich in zurückhaltendem Braun oder Grau. Auch die Schnelligkeit des Farbwechsels spielt beim Konkurrenzkampf eine Rolle. So weiß Frau auf den ersten Blick, worauf sie sich einlässt! Die Damen signalisieren den farbenfrohen Herren ebenfalls mit der Wahl ihrer Hautfarbe, ob Interesse geweckt wurde oder nicht. Wer braucht da noch Parship, Tinder & Co?
Praktisch: Auch eine frohe Botschaft kann auf der Haut bekannt gegeben werden – mit bestimmten Tönen signalisieren Chamäleon-Damen eine Schwangerschaft. Und bei Desinteresse hilft die Tarnhaut beiden Geschlechtern auch prima beim Abtauchen.
Vorsicht: Fremdwörter-Alarm
Ein Netz aus Nanokristallen – was klingt als könnte es der nächste Titel eines Indianer Jones Filmes sein, ist tatsächlich Physik für Fortgeschrittene. Deshalb brauchte es schon ein ganzes Team aus Biologen und Physikern, um dem Geheimnis der Chamäleon-Haut auf die Spur zu kommen.
Kurzer Auffrischungskurs des Schulwissens: Wer sich an den Physikunterricht und die Experimente mit komisch geformten Glaskörpern noch erinnert, dem ist vielleicht auch die Anordnung der Regenbogenfarben noch bekannt: Langwelliges Rot liegt am einen und kurzwelliges Violett am andere Ende des Farbspektrums.
Physik, Kunst, Biologie – Hätten wir in der Schule bloß besser aufgepasst!
Achtung, jetzt wird es wissenschaftlich: Chamäleons haben insgesamt vier übereinanderliegende Hautschichten. Die erste, oberste Schicht, die Epidermes, ist nur zum Schutz da, die vierte und unterste kann nur weiß reflektieren. Spannend sind die beiden dazwischenliegenden Schichten, mit hoch spezialisierten, pigmenthaltigen Zellen, die „Iridophoren“ genannt werden. Diese Iridophoren können mithilfe winzig kleiner Kristalle Licht reflektieren. Diese sogenannten Nanokristalle in den Pigmentzellen sollen verantwortlich für die erstaunliche Fähigkeit zum Farbwechsel sein. Beim Farbwechsel hat jede Hautschicht eine andere Aufgabe. Die zweite Schicht hat überwiegend gelbe und rote Pigmente, in der dritten Schicht finden sich dunkle Pigmente, die Braun- und Blautöne erzeugen können. In diesen beiden mittleren Schichten sind die winzigen Nanokristalle in Form eines Gitters angeordnet. Die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass der Abstand der Mini-Kristalle über die Farbe des Chamäleons entscheidet. Ist ein Chamäleon entspannt, liegen die Kristalle in seiner Haut eng beieinander und reflektieren kurzwelliges, blaues Licht, das auf die gelblichen Pigmente der zweiten Hautschicht trifft. Da wir auch beim Herumspielen mit dem Tuschkasten im Kunstunterricht gelernt haben, dass Gelb und Blau Grün ergibt, erklärt sich so die grüne Farbe unserer entspannten Jemen-Chamäleons.
An dieser Stelle soll auch mit einem Vorurteil aufgeräumt werden: Chamäleons können – entgegen der Darbietung des Ray-Ban-Werbechamäleons – nicht jede erdenkliche Farbe annehmen. Jede Unterart hat ein bestimmtes Repertoire an Schattierungen und Mustern. Würden wir unser Jemen-Chamäleon also auf eine Regenbogen-Flagge setzen, werden unsere Erwartungen an ein rot-, gelb-, grün-, blau-, lila-gestreiftes Reptil enttäuscht.
Zusammengefasst:
- Der Gemütszustand eines Chamäleons löst bestimmte Nervenimpulse und Hormonveränderungen aus.
- Diese sorgen dafür, dass sich die Anordnung der Pigmentzellen verändert.
- Durch Ausweiten und Zusammenziehen der Zellen in den verschiedenen Hautschichten werden unterschiedliche Farbtöne und Muster erzeugt.
Staunen ohne Ende
Wem diese Verwandlungskünste noch nicht ausreichen, hier sind fünf weitere Gründe, warum unsere Jemen-Chamäleons beim nächsten Aquarium-Besuch ein absolutes „Must-See“ sind:
Die perfekte Überwachungskamera: Chamäleons haben ein Sichtfeld von 360 Grad und können in zwei Richtungen gleichzeitig sehen. Die kreisförmigen Augenlider lassen nur ein kleines Loch für die Pupille und können unabhängig voneinander rotieren und fokussieren.
Der Schwanz hat alles im Griff: Im Unterschied zu anderen Echsen kann ein Chamäleon seinen Schwanz nicht abwerfen. Das wäre auch unpraktisch, denn das Chamäleon kann damit einen Ast fest umschließen. Als eine Art fünfter Fuß ist er damit beim Klettern eine riesige Hilfe.
Fuß gefasst: Die Füße des Chamäleons sind ebenfalls perfekt an das Leben in Bäumen angepasst. Die fünf Zehen schließen sich zu zwei Paaren zusammen, sodass sich das Reptil wie mit einer Zange fest an einen Ast klammern kann.
Großartig: Chamäleons variieren nicht nur in Form und Farbe, sondern auch in der Größe. Die Männchen der kleinsten Art werden gerade einmal 1,5 cm, während die größten Arten fast 70 cm auf den Zollstock bringen.